Rede zum Volkstrauertag am 13. November 2022 in Klein Berkel
Guten Morgen,
ich freue mich, Sie heute zur Gedenkfeier begrüßen zu dürfen.
Leider hat der Volkstrauertag seine Berechtigung nach hundert Jahren nicht verloren. Seit 1922 ist dieser Tag ein Aufruf zur Versöhnung und zur Verständigung über Grenzen hinweg.
In Stockholm gibt es ein Friedensforschungsinstitut. Das hat für 2021 bewaffnete Konflikte in 46 Staaten dieser Welt gezählt. Im Jemen, in Äthiopien und in Syrien ist immer noch Krieg. Aber im Februar ist durch den russischen Überfall auf die Ukraine einer hinzugekommen. Viele in Deutschland hätten es nicht für möglich gehalten, dass so etwas direkt in unserer Nachbarschaft geschieht. Wir waren uns sicher, dass wir von Freunden umgeben sind. Krieg in Europa war für uns unvorstellbar geworden.
Dieser Krieg hat daher einen Schock bei uns allen ausgelöst. Die Konsequenzen sind weitreichend. Die Länder des freien Westens haben sich darauf konzentriert, den Flüchtlingen zu helfen, der Ukraine Militärhilfe zu leisten und den Agressor Russland mit Wirtschaftssanktionen zu belegen. Das hat Folgen, die wir alle spüren. Das ist für unsere Gesellschaft eine Herausforderung, denn auch Politik kann keine Wunder vollbringen. Niemand, auch nicht die Regierung, die mit zahlreichen Maßnahmen unterstützt, kann uns in dieser unsicheren Zeit alle Sorgen nehmen.
Doch machen wir uns klar: Auch in Zeiten des Gegenwinds bleiben wir eine starke Demokratie in der Mitte Europas. Gerade aufgrund seiner Geschichte und der Aufarbeitung eigener Schuld ist Deutschland heute weltweit ein starker und glaubwürdiger Partner. Unser Land ist eine freie, vielfältige Republik mit hohem Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger. Es gibt viele Menschen in Deutschland, die Flüchtlinge aufgenommen haben oder ihnen zur Seite stehen. Es gibt Organisationen, die ganz konkret in der Ukraine Hilfe leisten. Dafür möchte ich mich heute ganz herzlich bedanken.
Aber das Vergangene kann man nicht ungeschehen machen.
Jedoch können wir die Täter zur Rechenschaft ziehen. Dafür haben wir die Mittel des Rechtsstaates. 1945 wurde dies erstmals praktiziert, als die Alliierten den Kriegsverbrechern den Prozess machten. Der erste Prozess hat auch bei uns in Hameln seine Spuren hinterlassen.
Die Justiz hat sich seitdem weiterentwickelt. Wir haben den internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Dort werden die Verantwortlichen der heutigen Kriege, ob in der Ukraine, im Jemen, in Äthiopien oder Syrien eines Tages Rechenschaft ablegen müssen. Zwar kann keine Strafe der Welt ein Verbrechen wiedergutmachen, aber wir können diese Kriegsverbrechen, wie in Butscha oder Isjum, genau dokumentieren.
Krieg und Genozid sind die falsche Antwort für einen Konflikt. Friedliche Lösungen zu finden, um miteinander leben zu können, muss unser stetiges Ziel sein. Allein auf Versöhnung, Verständigung und Frieden basiert unsere gemeinsame Zukunft. Diese Botschaft vermittelt uns der Volkstrauertag mit seiner wechselvollen Geschichte seit genau hundert Jahren.
Der Volkstrauertag ist zum festen Bestandteil des kollektiven Gedächtnisses der Bundesrepublik geworden und dennoch ein Tag, der gerne als pflichtschuldiges Erinnern wahrgenommen wird.
Machen wir uns bewusst, wie hoch aktuell dieser Tag ist. Der Volkstrauertag zeigt uns, wie Krieg uns Menschen verändert und wie sinnlos Krieg ist. Nehmen wir das Angebot des Volkstrauertags an und reichen uns die Hand zur Versöhnung.
Ortbürgermeister Cord Petersilie
Es gilt das gesprochene Wort