
In einer kurzen Gedenkveranstaltung haben heute viele Bürgerinnen und Bürger von Klein Berkel den Opfern von Krieg und Gewalt gedacht. Ortsbürgermeister Cord Petersilie und Ortsratsmitglied Ben Heise haben einen Kranz am Denkmal an der Schule niedergelegt. Die Feuerwehr stelle eine Ehrenwache. Vielen Dank an alle, die teilgenommen haben.
Rede des Ortsbürgermeisters Cord Petersilie
Es gilt das gesprochene Wort.
Guten Morgen, sehr geehrte Damen und Herren,
ich freue mich sehr, Sie alle hier zu sehen! Der diesjährige Volkstrauertag steht unter dem bundesweiten Motto „Versöhnung über den Gräbern – Arbeit für den Frieden“. Wir sind heute hier, um von der Vergangenheit für die Zukunft zu lernen.
Als das Ende des Ersten Weltkriegs vier Jahre zurücklag, beging der Deutsche Reichstag 1922 zum ersten Mal einen Volkstrauertag. Die schrecklichen Erfahrungen waren noch sehr lebendig. Niemand hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt die Verwüstungen eines solchen Krieges vorstellen können. Neue Technologien und Kriegsgeräte wie Panzer und Flugzeuge hatten ihn brutalisiert. Anders als vorher sahen sich die Menschen, die gegeneinander kämpften, oftmals gar nicht. Stattdessen ermöglichten die großen Geschütze, Maschinengewehre, Flammenwerfer und Giftgas über weite Distanzen hinweg geführte Kämpfe. In den vier Jahren des Krieges starben auf den Schlachtfeldern mehr als neun Millionen Männer.
Neun Millionen.
Eltern verloren ihre Söhne, Kinder ihre Väter und Frauen ihre Ehemänner. Familien hatten keinen Ernährer mehr. Die Frauen mussten versuchen, ihre Kinder allein durchzubringen. Betriebe hatten keinen Nachfolger mehr, sie wurden verkauft oder geschlossen. Schwer war auch das Schicksal der Soldaten, die seelisch und körperlich verstümmelt aus diesem Krieg zurückkamen.
1934 wurde der Volkstrauertag von den Nationalsozialisten vereinnahmt und zum ‚Heldengedenktag‘ gemacht. Schon diese Begriffsverschiebung kann als Hinweis auf die militärischen Ziele des Regimes betrachtet werden. 1939 entfesselten die Nationalsozialisten einen Krieg um „Lebensraum im Osten“. Zu Ende war der Zweite Weltkrieg in Europa im Mai 1945. Seine Bilanz war schrecklich. Um die 60 Millionen Menschen waren im Kampf oder als Zivilisten gestorben. Allein sechs Millionen Männer, Frauen und Kinder aus ganz Europa wurden von den Nationalsozialisten ermordet, weil sie Juden waren.
66 Millionen Tote.
Nach Kriegsende herrschte Chaos. Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter und ehemalige KZ-Insassen strömten zurück in ihre Heimatländer. Millionen von deutschen Flüchtlingen und Vertriebenen versuchten, sich unter schwierigsten Bedingungen in den Westen durchzuschlagen.
All das ist genau 80 Jahre her. Die Älteren unter uns erinnern sich noch an die Verheerungen des Krieges, weil sie ihn als Kinder erlebt haben oder in seinen Trümmern aufwachsen mussten. Oft ohne Vater. Viele Flüchtlinge und Vertriebene kamen auch zu uns ins Weserbergland. Anfangs wurden sie aufgrund extremer Wohnraumknappheit unter schwierigen Bedingungen untergebracht. Sie fühlten sich fremd.
Für uns Nachgeborene ist das alles weit weg. Das ist ein Geschenk. Auch mit Blick auf die vielen Kriege und Konflikte unserer Zeit können wir dankbar sein. Stellvertretend möchte ich den zerbrechlichen Waffenstillstand im Gazastreifen nennen. Deutlich weniger Aufmerksamkeit erhält der 2023 ausgebrochene Krieg im Sudan. Wer sich informiert, hat von vielen weiteren Kriegsgebieten in der Welt gehört.
80 Jahre lang herrschte Frieden in Deutschland. Beinahe drei Generationen konnten hier aufwachsen, ohne selbst Krieg erleben zu müssen. Dass das keine Selbstverständlichkeit ist, wird uns im Moment sehr deutlich.
Die Debatte über die Wehrpflicht beschäftigt uns. Die Wehrpflicht wurde 2011 ausgesetzt. Die völlig veränderte Sicherheitslage ließ sie unnötig wirken. Hinzu kamen Sparmaßnahmen. Dazu gehörte der Verkauf ehemals militärisch genutzter Flächen, die Städten wie Hameln neue Entwicklungsmöglichkeiten boten. In diesen Tagen wurden die Veräußerungen von ehemaligen Militärgrundstücken jedoch gestoppt. Wird die Wehrpflicht wieder aufgenommen, werden natürlich auch Kasernen und dafür Flächen gebraucht.
Auf einer Bundeswehrtagung Anfang November sagte unser Verteidigungsminister Boris Pistorius in Berlin: „Es ist kein Alarmismus, wenn ich sage: Unsere Art zu leben ist in Gefahr“. Ist das vielleicht doch zu hoch gegriffen? Sollten wir solche Warnungen ausblenden und uns lieber der kommenden Weihnachtszeit widmen?
Vor kurzem wurde der Flugverkehr am Flughafen Hannover durch Drohnen gestört und der Betrieb musste eingestellt werden. Drohnen werden seit längerem über unserer Verkehrsinfrastruktur, über Versorgungseinrichtungen und Städten gesichtet. Manchmal handelt es sich um Dummejungenstreiche, oft aber auch um Spionage. Es wird vermutet, dass Drohnenangriffe oftmals von Russland gesteuert werden. Pistorius sagte auf der erwähnten Tagung, Moskau werde nicht davon ablassen, Grenzen mit Gewalt zu verschieben.
Anders als viele Jahre vorher hat der Volkstrauertag also einen sehr aktuellen Bezug zu unserem Alltag. Ausblenden nützt nichts! Stattdessen kommt es jetzt mehr als vorher auf jeden von uns an. In vielen europäischen Ländern gibt es wie in den USA eine Tendenz zu autoritärer Politik. Auch in Deutschland.
Als Demokraten müssen wir dem selbstbewusst begegnen. Bringen Sie sich ein für die Demokratie, für die Presse- und Meinungsfreiheit und gegen Rassismus, Antisemitismus und rechtsextreme Bewegungen! Wir leben hier alle zusammen in Frieden. Lassen Sie uns alle zusammen daran arbeiten, dass es so bleibt.
Totengedenken, verlesen von Ben Heise
Wir denken heute
an die Opfer von Gewalt und Krieg,
an Kinder, Frauen und Männer aller Völker und Volksgruppen.
Wir gedenken
der Soldaten, die in den Weltkriegen starben,
der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder
danach in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren.
Wir gedenken derer,
die verfolgt und getötet wurden,
weil sie einem anderen Volk angehörten,
einer anderen Rasse zugerechnet wurden,
eine andere Geschlechtsidentität oder Sexualität hatten,
die Teil einer Minderheit waren oder
deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert
bezeichnet wurde.
Wir gedenken derer,
die ums Leben kamen,
weil sie Widerstand gegen eine Gewaltherrschaft geleistet haben,
und derer, die den Tod fanden,
weil sie an ihrer Überzeugung oder an ihrem Glauben festhielten.
Wir trauern
um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage,
um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung,
um die Bundeswehrsoldaten und anderen Einsatzkräfte, die im
Auslandseinsatz ihr Leben verloren.
Wir gedenken heute auch derer,
die bei uns Opfer von Hass und Gewalt geworden sind
und noch heute jeden Tag Opfer von Hass und Gewalt werden.
Wir gedenken
der Opfer von Terrorismus und Extremismus,
Antisemitismus und Rassismus in unserem Land.
Wir trauern mit allen,
die Leid tragen, wir trauern um die Toten
und teilen ihren Schmerz.
Unser Leben steht trotzdem im Zeichen der Hoffnung
Auf Versöhnung unter allen Menschen
und unsere Verantwortung gilt dem Frieden
– unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt.

